Flat the curve!

Nee Leute, ich will das nicht mehr. Ich will auch diese Whatsapp-Videos nicht mehr. Zum tausendsten Mal hab ich nun schon diesen Lockenkopf, der in der Badewanne steht und sich mit der Hand an der Duschstange festhält, als wär er in der Bahn. Soll`n Scherz sein, von wegen Homeoffice. Ja. Ist ja auch witzig. Aber dreiundzwanzig Mal? Einen Vorteil hat das, wenn man nicht in`s Konzert, nicht in`s Kino, nicht in`s Theater und nicht was weiß ich wohin darf: Man kommt mal dazu, sein Handy von diesen ganzen Videos und Fotos zu befreien. Ich versende das ja selbst auch. Aber wenn das irgendwann Überhand nimmt, Leute, dann können wir sowas wie Corona eben zukünftig nicht mehr machen.

Schon komisch alles. Da steh ich in meinem Garten, seh in den Himmel und denk: „Hm. Da fehlt doch auch irgendwas. Sonne ist da, Scheißwetter-Wolken auch, aber irgendwas fehlt. Stimmt! Die Kondensstreifen der Flugzeuge!“ Und richtig. Wenn ich meine übertriebene Weihnachtsbeleuchtung einschalte und darauf hoffe, dass die Flugzeuge versehentlich über meinem Garten den Landeanflug einleiten sehe ich sie nicht. Aber am Tage! Und jetzt? Die Leute dürfen ja nicht mehr auf die Balearen. Noch nicht. Aber bald! Die Reiseveranstalter machen ja Druck und rechnen dem Außenminister die Arbeitslosen vor, wenn das nicht bald wieder los geht. Wir haben auch gebucht, aber ich such gerade in den Reisebedingungen, ob ich mit meinem Herzfehler nicht unter diesen Bedingungen kostenlos zu Hause bleiben darf. Da steht was von Schwangerschaft. Das wär okay. Aber Herzfehler? Nicht okay. Das ist ja keine schwere Erkrankung. Gut, das ist eine Schwangerschaft auch nicht aber die steht nun mal ausdrücklich drin.

Es klingelt. Stimmt. Handwerker hatten wir ja bestellt. Wollten da was renovieren. Und Handwerker wollen auch leben. Wände sind schnell aufgestemmt, Steckdosen und Kabel verlegt, ich weiß jetzt, was ein Medienkanal ist und dass das alles gar nicht sooooo viel kostet. Wär nur schön, wenn die Leute auch bald wieder verantwortbar in`s Theater dürfen und wieder Geld in die Kasse kommt. Aber egal. Schreib ich halt erstmal. So`n Theaterstück über die gegenwärtige Situation wäre natürlich auch mal was. Aber als Komödie? Ich weiß nicht. Eigentlich bin ich ein Mensch mit Humor, aber wenn Menschen ihre alten Angehörigen im Pflegeheim nicht mehr besuchen oder sogar beim Sterben begleiten dürfen, wenn Leute ihre Jobs verlieren hört bei mir der Spaß auf. Beherrschen muss man sich dann schon, wenn eine Rentnerin mit Freizeitstress Sorge um ihre schon für übernächste Saison gebuchte Kreuzfahrt hat und sich traut, dass dann auch noch in einer Liveschalte den Vorsitzenden des Reisekonzerns zu fragen, als wäre das die Hauptsorge in diese Zeiten.

Helmut Schmidt hat gesagt, in der Krise zeige sich der Charakter, und Recht hat er.

Und dann sind da noch die Verschwörungstheoretiker, die mit Aluhüten durch`s Bild laufen und glauben, wir hätten uns die Toten besonders in Italien, den USA, in Spanien, Frankreich, China und wer weiß wo überall nur eingebildet. Es gibt halt so verhaltensoriginelle Leute, aber ich sag mal „Jede Elite braucht auch ihren Bodensatz“.

Extreme über Extreme. Neulich habe ich übrigens aus Versehen geniest. Die Leute um mich herum haben mich angesehen, als wollt ich ihre Niere.

Ich hab mich einfach noch nicht dran gewöhnt. Auch nicht an die Maske. Ich geh ja auch kaum aus dem Haus. Neulich steh ich vor dem Blumenladen und denke, „Mist, Maske vergessen“. Aber das ist das Gleiche wie das mit dem Anschnallen im Auto. Wie lange gibt`s die Anschnallpflicht? Und trotzdem steckt es noch nicht immer sooooo richtig in uns drin. Als wäre es selbstverständlich. Apropos selbstverständlich. – Das Denkmodell mit der Jogginghose im Homeoffice ist ja auch noch nicht so richtig ausgereift, von wegen bequem. Wenn du dann nach langer Zeit mal wieder in die Jeans musst, dann… . – Puh. Warten, bis sie sich geweitet hat und dann vorsichtig nachgurten. Aber das ist ein anderes Thema. – Die Handwerker wohnen jetzt bei uns. Glaub ich. Aber auf Abstand. – Flat the curve!