Weihnachtsfeier? Echt jetzt?

Wenn ich als Kind etwas Teig bekam und damit Kekse ausstechen sollte, habe ich damit lieber ein Backofen-Männchen geformt, das ich immer wieder versuchte, zu perfektionieren. Es sah bei jedem Versuch anders aus, aber: Es blieb immer noch ein Backofen-Männchen. Ähnlich geht es mir bei meinen Beobachtungen am Heiligabend in der Kirche, in die die meisten regelmäßig einmal im Jahr regelrecht hinein pilgern und einige auf einmal so tun, als hätten sie – diametral entgegengesetzt zu ihrem sonst gelebten Alltag – soeben die Rücksichtnahme und Nächstenliebe erfunden. Deshalb hat die Oma ja auch eigens rechtzeitig genügend Plätze in der Kirchenbank besetzt gehalten, damit die Tochter mit ihren laissez-faire erzogenen, inselbegabten Rackern auch sitzen kann. Das ist ein bisschen so wie mit meinem Männchen.  Die verhaltensoriginellen Menschen und ihre so ganz eigenen Szenen variieren immer wieder, aber: Es bleiben immer noch verhaltensoriginelle Menschen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin gläubig, ich weiß, es handelt sich hier um eine Minderheit, und wenn sich so manche/r wenigstens einmal im Jahr auf christliche Werte besinnt, für das dieses große Fest den Weg bereitet, ist viel erreicht. Und doch: Manche bleiben auf diesem Weg, manche versuchen weitestgehend auf diesem Weg zu bleiben, auch wenn sie hin und wieder davon abkommen, und manche gesellen sich der anderen Leute wegen für ein paar Meter hinzu und verabschieden sich danach wieder für den Rest des Jahres wieder.
Zurück zum Backofen-Männchen: Irgendwann entschloss ich mich, meine Fassungslosigkeit niederzuschreiben und daraus meine Weihnachtsgeschichten zu formen. Auch sie sind natürlich nicht eins zu eins wiedergegeben. Denn um daraus einen unterhaltsamen Text für die Weihnachtsfeier zu machen, muss ich das ganze anreichern und hier und da etwas zuspitzen. Und doch: Die Fassungslosigkeit bleibt. Und nachdem das Lachen schließlich verhallt ist, stellt so manch einer fest: Ja. So ist es. Es gibt sie, die Menschen, die selbst in der Kirche die Plätze besetzt halten, die lauten Prosecco-Lerchen mit ihren inselbegabten Kindern und den Männern, die sich mit einem Bekannten eine Reihe weiter in der Kirche fragen, was bloß mit der Borussia wieder los ist. Für letztere ist es vermutlich nicht maskulin genug, Sensibilität für die Ankunft zu zeigen, für das sich besinnen, für die Werte, die uns dieser Anlass gebracht hat, und für die wir hier stehen, oder besser gesagt: sitzen. Obwohl bei manchen Leuten schon die Frage erlaubt sein muss: Warum eigentlich? Nochmal: Die „Verhaltensoriginellen“, so möchte ich sie mal nennen, sind hin und wieder andere, aber es bleiben immer Verhaltensoriginelle. Es ist wie mit meinen Backofen-Männchen.
In unserem über die Jahre gewachsenen Dorf findet der Gottesdienst am Heiligabend nicht mehr in der gleich groß gebliebenen Kapelle statt, sondern auf einem Bauernhof, der mit Bänken und Technik hergerichtet wird. Dank tatkräftiger Unterstützung ehrenamtlicher Helfer. Und? Was soll ich sagen? Einige „Damen“ und „Herren“ zogen dann eines abends mit einem Bollerwagen samt Glühwein darin – wahlweise mit und ohne Schuss – zum Gottesdienst. Es scheint diese 60 Minuten einfach nicht ohne zu gehen, bei windstillen 6 Grad plus. Doofes zieht Doofes nach sich. – Oder sollte ich sagen „mit sich?“ Experten sprechen bei so etwas auch gern von der sogenannten „Blödenwanderung“. Aber Schwamm drüber. Und zugegeben: Diese Wortschöpfung habe ich mir ausgedacht. Aber das Beispiel zeigt: Geschichten gibt es so einige. Egal ob lautstarke Lästereien über „sie“, die ja jetzt getrennt lebt, wie man hört, oder die Handys, die alles festhalten, was die SD-Karte noch hergibt, die wiederkäuenden Wrigley`s-Fans vor dem Gesangbuch, die inzwischen – kaum zu glauben – Eltern geworden sind und natürlich „die Querflöte“, die der Dorfgemeinschaft nun stolz präsentiert wird („…2.von links gleich neben der Krippe, das ist unsere…“). Mit dem Zusatz, dass sich „…dann ja die ganze Kohle für die Stunden wohl gelohnt hat, auch wenn sie nicht übt… .“ Die Bürgermeisterin spielt zwar kein Instrument, singt aber im Kirchenchor, was ihr allerdings Respekt einbringt. Denn das alles zu schaffen ist „…nicht ohne…“, neben der Politik, dem Amt der 2. Vorsitzenden im Heimatverein, der Beisitzerin in der Jahreshauptversammlung der Freiwilligen Feuerwehr und dem Amt im Grundschul-Förderverein. Oder so ähnlich.
Ich glaube ich backe jetzt Kekse, und danach wird geschrieben. Schließlich starten die Weihnachtsfeiern. Und dann ist es ja auch schon bald wieder so weit. Tatsächlich. In gut drei Wochen ist schon erster Advent. Und dann geht`s auch schon los mit den Weihnachtsfeiern. Nur eben in diesem Jahr dann auch noch mit Fußball-WM. Fußball. Zum Advent. „Echt jetzt?“

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