Warten lohnt sich.

Inzwischen stellt sich immer weniger die Frage, wie viele der Kleingeister, die ein mit Medikamenten voll beladenes Krankenbett einer Impfampulle vorziehen, sich noch werden überzeugen lassen. Empörungsmüde wende ich mich inzwischen auch ab, wenn sich irgendwer nicht impfen lassen will, weil er oder sie schließlich – Achtung – „…Allergien…“ hat. Denn erstens habe ich selbst eine Haselnussallergie und zweitens spielt es für solche „Herrschaften“ ohnehin keine Rolle, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Warum also dann diese stereotype Abwehrhaltung? Ganz einfach: Sie wissen es selbst nicht. Sie wissen es schlicht nicht. Sie wissen nur: Es ist schick geworden, einfach mal gegen den Strom zu schwimmen. Sich einfach mal politisch verfolgt zu fühlen. „Spaziergänger“ sind die neuen Demonstranten. Frage: Sind Wasserwerfer dann nicht eigentlich eine Übung der Feuerwehr? Sicher. Dummheit hält eine Demokratie aus. Allerdings fällt die Toleranzschwelle, wenn durch Verbohrtheit eine vernünftige Mehrheit der Gesellschaft Schaden an Leib und Leben nimmt. Ist eine Impfpflicht also die Lösung? Davon ausgehend, dass eine solche erst – oder endlich – für den kommenden Herbst relevant wird und auch unter Berücksichtigung, dass eine Impfung nicht im Vorhinein für jede Variante erfolgen kann, eine solche auch mit Art. 2 des Grundgesetzes, d. h. dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, vereinbar sein muss: Ja! Unter Virologen, Pneumologen, Epidemiologen, Medizinethikern hat sich die herrschende Meinung herausgebildet, dass aus wissenschaftlicher Sicht ein hundertprozentiger Schutz nicht der naturwissenschaftlich realistisch mögliche Anspruch sein kann. Und dennoch: Sie schützt vor den gravierenden Auswirkungen und schweren Verläufen und hilft, das öffentliche Leben, insbesondere auch das gesundheitliche Gesundheitswesen vor einem Kollaps zu bewahren. Dies vorangestellt, geht es also primär um die Abwägung, ob das Individualinteresse des verfassungsrechtlich besonders geschützten Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit in dieser Situation schwerer wiegt als das öffentliche Interesse der Volksgesundheit, oder genauer: der proaktiven Vorsorge vor einer Infektion und Erkrankung. Wiegt also die marginale Wahrscheinlichkeit eines Impfschadens wirklich noch schwerer als eine dagegen mit mathematischer Gewissheit vorhersagbare, Infektion und ihren Folgen samt schwerem Verlauf und / oder Long Covid für eine Vielzahl unschuldiger Menschen? Sicher. Der Artikel 2 steht weit oben im Grundgesetz, und schon das zeigt, welche hohen Stellenwert die Väter der Verfassung diesem geschützten Rechtsgut eingeräumt gesehen haben wollten. Entsprechend hoch die Hürden für den Schutz körperlichen Lebens und seiner Entfaltungsmöglichkeit. Aber hier geht es nicht nur um den Schutz der körperlichen Unversehrtheit einer Minderheit und ihrer – in einer Demokratie durchaus tolerierten – Verbohrtheit. Vielmehr kann sich jemand dann nicht auf die freie Entfaltungsmöglichkeit nach Artikel 2 berufen, wenn er durch sein Verhalten anderen, konkret: der sehr weit überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, schadet. Und ebendies ist hier der Fall. Zur Verdeutlichung: Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat. Das bedeutet, Impfgegner wehren sich gegen die staatlich geregelte Pflicht, sich impfen zu lassen und im Fall der Verweigerung ein Bußgeld zahlen zu müssen. Auf einen Eingriff in das Recht aus Artikel 2 des Grundgesetzes darf sich der Impfgegner bzw. die Impfgegnerin aber nur dann berufen, wenn dieses Recht so weit geht, dass das individuelle Recht auf Verweigerung der Impfung höher zu gewichten ist als die öffentliche Ordnung und damit die Rechte der Allgemeinheit auf Gesundheit, die ohne ausreichende Impfquote weiter Schaden nimmt (Belastung der systemrelevanten Einrichtungen und Institutionen, Schädigung der vulnerablen Gruppen, etc..). Und gerade das muss man hier wohl verneinen. Was staatsrechtlich sorgsam abgewogen wird, muss man nicht fürchten. Eine stärkere Gewichtung des Gemeinwohls ist verfassungsrechtlich möglich, und gerade deshalb ist die Zögerlichkeit der Politik so schädlich. Niemand möchte wirklich Verantwortung übernehmen für eine „Watschn“ aus Karlsruhe, die ohnehin keine wäre. Schließlich wartet die Mehrheit der Bevölkerung für die so dringend benötigte Impfquote von mindestens 80%.

Wie es weitergeht? Wir wissen es nicht. Ich glaube, der kommende Herbst und Winter, der als Theaterhochsaison bezeichnet werden darf wird nicht wieder so wie im zurückliegenden Jahr. Es wird eine Zeit mit Virus und eine Theatersaison für die Geimpften und evtl. Genesenen. Wir dürfen also hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

So oder so: Das Warten lohnt sich.

 

B.S.

Kategorie: Allgemein